
SOLO VON MÜNCHEN NACH WIEN
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Jetzt ist es schon 1 Jahr her, dass ich den Entschluss für mich gefasst habe: Ich fahre alleine mit meinem Rennrad nach Wien.
Da ich schon immer eine Tour planen wollte, die nur ich fahren werde, dachte ich mir wäre es der perfekte Zeitpunkt dafür. Ob es jetzt 3 oder 4 tage werden, wusste ich nicht. Spontan trat ich dann meine Reise an, fuhr in Richtung meines Startpunktes München und begann meine erste Solo-Packing-Tour.
Aber okay, gehen wir nochmal zwei Tage zurück, denn da war ich ehrlich gesagt ziemlich "lost". Was braucht man eigentlich alles? Ich bin im Kopf alle möglichen Szenarien durchgegangen, nur um ja nichts zu vergessen.
Constantin hat mir dann nochmal ganz in Ruhe gezeigt, wie man einen Reifen wechselt – denn ja, ich hatte bis dahin noch nie einen Platten. Es hört sich zwar nicht schwer an, aber ich glaube, man muss es einfach mal selbst gemacht haben. Deshalb hat er es mir auch ein drittes Mal gezeigt (danke nochmal dafür <3 )
Meine Biketaschen habe ich super spontan von AGU bekommen – mit genau denselben Taschen sind wir übrigens auch damals Richtung Rom gestartet. Ich hatte also meine Lenkertasche, die Arschrakete und die Oberrohrtasche ans Bike montiert und damit war ich ready für mein kleines Abenteuer.
→ Falls euch meine Packliste interessiert: Ich packe euch unten eine ausführliche Liste mit rein.
In München angekommen, musste ich mich erstmal irgendwie aus der Stadt herausfinden und das hat sich echt wie eine halbe Ewigkeit angefühlt. Als ich Richtung Aschheim kam, wurde der Verkehr ruhiger und damit auch die Gedanken in meinem Kopf.
Wunderschöne Radwege taten sich vor mir auf, und ich konnte es einfach nur rollen lassen.
Für den ersten Tag hatte ich mir 150 Kilometer und 550 Höhenmeter vorgenommen. Ich wollte unterwegs nicht auf die Uhr schauen – einfach im Moment sein. Nur ich und mein Orbi. Mein erstes Ziel war Braunau in Österreich. Ich war echt überrascht, wie viele gut ausgebaute Radwege es auf dem Weg dorthin gab.
Auf dem Rad zu sitzen hat etwas Magisches. Und warum das so ist, kann ich euch ganz einfach erklären: Du bist an der frischen Luft und bekommst eine ordentliche Portion Vitamin D ab. Soweit, so gut – das hat man auch beim Wandern oder Laufen. Aber was für mich wirklich zählt, ist dieses Gefühl von Freiheit, wenn man den Fahrtwind spürt und merkt, wie die Gedanken langsam ruhiger werden. Sie sprießen im Kopf wie auf einer Wiese, die gerade aus dem Winterschlaf erwacht und vom Frühling begrüßt wird - sehr poetisch gesprochen :D
Plötzlich denke ich über alles nach, was mich die Woche über beschäftigt hat. Über Dinge, die ich mir vorgenommen, aber nicht umgesetzt habe.
Und genau das meine ich mit magisch. Du setzt dich mit dir selbst auseinander. Du beginnst laut zu singen, wenn du einen Ohrwurm nicht mehr los wirst und manchmal lachst du einfach so. Ohne Grund. Weil du in dem Moment einfach nur Glück spürst.
Aber springen wir doch mal wieder zurück zu meinem ersten Tag. Ich kam super voran und machte nach etwa 80 Kilometern meine erste Pause. In einem kleinen, verschlafenen Dorf entdeckte ich ein Café, das zwar nicht besonders aussah, aber ich hatte mittlerweile richtig Hunger und musste mich selbst versorgen. Denn: Einmal im Hungerast, wird’s richtig anstrengend.
Ich traf dort zwei andere Rennradfahrer, mit denen ich mich kurz unterhielt. Auf der gesamten Strecke bekam ich immer wieder nette Blicke. Viele wollten wissen, wohin ich mit dem ganzen Gepäck eigentlich unterwegs bin. Die Reaktionen waren durchweg herzlich und motivierend und das tat natürlich gut.
Gegen 17 Uhr kam ich schließlich in Braunau an und fuhr zu meiner Unterkunft etwas außerhalb der Stadt. Weil ich nicht wusste, ob es dort noch etwas richtiges zu essen geben würde, hielt ich spontan an einer kleinen Pizzabude am Straßenrand. Die Pizza aß ich stilecht auf dem Parkplatzboden. Classy as always.
Am Gasthof angekommen, gab es dann meinen ersten kleinen “Sturz”: Beim Reinschauen ins Restaurant ( ich wollte mich vergewissern dass ich mit der pizza von vorhin keinen Fehler gemacht habe 😂) übersah ich den Bordstein, fuhr dagegen und kippte im Zeitlupentempo um. Diese Narbe an meinem Knie erinnert mich bis heute an meine erste Solo-Bikepacking-Reise – mein liebstes Souvenir.
Ich schnappte mir also mein Bike (zum Glück unversehrt), ging auf mein Zimmer, stellte es neben mein Bett, duschte, wusch meine Bike-Klamotten und legte mich schlafen.
Der zweite Tag begann mit einem Frühstück für Champions. Je näher ich Niederösterreich kam, desto mehr spürte ich die Kaffeehaus-Kultur und damit kriegt man mich einfach immer - Frühstück ist für mich persönlich der schönste Teil vom Tag. Gestärkt stieg ich aufs Rad und startete meinen zweiten Tag, der mich über 150 Kilometer und 1.000 Höhenmeter bis nach Linz bringen sollte.
Die Straßen? Ein absoluter Traum. Viele ruhige Landstraßen, blühende Wiesen – ich konnte gar nicht anders, als ständig mein Handy zu zücken. Ich könnte ein ganzes Fotobuch aus dieser Reise machen, so viele Bilder sind es geworden.
Ich fuhr die meiste Zeit am Donauradweg entlang und schaltete an diesem Tag nicht einmal meine Kopfhörer ein – ich wollte einfach mit meinen Gedanken alleine sein. Diese Reise war für mich auch eine Art der Trauerbewältigung und ein Weg, den Verlust zu verarbeiten. Mein Papa war ein paar Wochen zuvor verstorben, und ich machte diese Reise für uns beide. Ich erzählte ihm viel, was ich ihm vielleicht schon immer sagen wollte und dachte immer wieder an ihn und was er wohl davon halten würde, dass seine Tochter mit dem Rad nach Wien fährt. Er würde sich kaputt lachen, wir würden zusammen darüber lachen.. so wie wir es immer taten.
Ich machte nur kurze Pausen, hielt aber immer mal wieder für ein Eis oder einen Kaffee an 🙂
Als ich in Linz ankam, war ich unglaublich stolz – meine erste große Stadt, die ich erreicht hatte. Was für ein Gefühl! Meine Unterkunft war mitten in Linz (kleiner Sneaky-Tipp: Self-Check-In Unterkünfte sind perfekt, weil das Rad immer mit aufs Zimmer "darf" – hihi) Ich wiederholte mein Ritual: Duschen, Radklamotten waschen und dann machte ich mich noch auf die Suche nach einem Restaurant.
Grande Finale. Der dritte Tag begann mit meinem Ziel: Wien. 240 Kilometer, 490 Höhenmeter, das sollte machbar sein… zumindest, was die Höhenmeter betrifft. 😄
Gegen 6 Uhr früh machte ich mich auf den Weg und rollte am Donauradweg entlang aus der Stadt hinaus. Der Morgentau lag noch auf der Wiese, und die Sonne hatte es noch nicht geschafft, ihn zu trocknen.
Ich war so motiviert und voller Energie, denn ich wusste: Heute werde ich ankommen. Ich hörte Vienna von Billy Joel rauf und runter und stellte mir vor, wie ich in Wien einfahre. Aber dazwischen lag noch ein heißer und ziemlich langer Tag. Aber hey: Vienna waits for you, Arlette!
Ich fuhr an Tulln an der Donau, Krems und Ybbs an der Donau vorbei (Übrigens, Ybbs? 😀). Die Strecke durch die Wachau war für mich persönlich das Highlight der Tour – es fühlte sich so sommerlich an, fast so, als wäre ich in den Weinbergen Südtirols unterwegs. Ich war noch nie in der Wachau und habe mich sofort verliebt! Vor allem die Tradition des Heurigen rund um Niederösterreich hat es mir angetan. Es ist so gesellig und schön - steht jetzt ganz oben auf meiner Bucketlist, mal einen Heurigen mit Blick auf die Donau und Wien zu erleben.
Okay, jetzt starten wir in mein Kapitel: Überleben.
Ich kam bei Kilometer 200 an, und der Gegenwind dachte sich: „Ne, ne, da geht noch mehr.“ Alleine – ohne meinen Windschattengeber – war das echt eine Herausforderung. Ich verfluchte meine Tour, fragte mich, warum ich an diesem Tag 240 Kilometer fahren musste, und rief zwischendurch meinen Freund an, der mich motivierte und mir sagte, dass ich es gleich geschafft hätte. Und so war es dann auch: Ich schaltete meinen Kopf aus, strampelte, strampelte und strampelte weiter.
Und dann verrieten mir die Nummernschilder auf den Autos, dass ich immer näher an mein Ziel kam. Die Sonne ging unter und tauchte die aufkommende Stadt in ein schönes, warmes Orange und Rot.
Mein Herz sprang, die Kopfschmerzen und Poschmerzen waren wie weggeblasen. Ich Face-timete meinen Freund und meine Familie an, damit wir uns gemeinsam freuen konnten.
Dann begann ich laut zu lachen und sagte zu mir selbst: „Papa, ich hab’s geschafft.“
Wien ist eine der schönsten Städte, die Architektur, der Flair und auch die Leute machen sie einfach so attraktiv. Leider war Constantin bei meinem Plan, dort hinzuziehen, nicht ganz so Feuer und Flamme wie ich. 😀
Ich fuhr mit meinem Rad in Richtung meiner Unterkunft und hielt bei einem Asiaten um nicht etwas kleines zu essen. Komischerweise hatte ich fast keinen Hunger, ich glaube, das war die Euphorie. Mein Rad stellte ich direkt im Restaurant neben mir ab. Klingt komisch, aber was ich mit meinem Orbi erlebt habe, ist mehr als nur eine "Radtour"..Es ist nicht mehr nur ein Rennrad für mich – es hat eine Seele!
Am nächsten Morgen packte ich mein Rennradzeug zusammen, zog meine Alltagskleidung an und ging mit meinem Orbi frühstücken.
Wir schauten uns zusammen die Stadt an und fuhren zum Abschluss zum Schloss Belvedere.
Mittags ging dann mein Zug zurück nach München. Und ich saß im Fahrradabteil wieder direkt neben meinem Rad. Ich fühlte mich einfach unwohl, es nicht in Sichtweite zu haben.
Im Zug ließ ich alles nochmal Revue passieren und sofort kam ein neuer Gedanke, oder besser gesagt, ein Gefühl auf: Wohin geht es jetzt als Nächstes?
3 Tage MUC-WIEN
540 Kilometer und 2000 Höhenmeter
Packliste:
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Elektrische Mini-Pumpe von Cycplus
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Elektrolyte-sticks von Hydraid
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Ersatzschlauch
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Riegel und Gels (für die nötige Energie zwischendurch)
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Reisezahnbürste, Mini-Zahnpasta, Deo, Desinfektionsmittel (da ich ein Hypochonder bin ist das immer mit dabei hehe)
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2x Bib Shorts
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2x Jerseys
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2 Paar Socken
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1 Alltagsoutfit (das Oberteil war auch gleichzeitig mein Schlafoberteil)
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Vans
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Bike Computer:
Wahoo Element Bolt V2 – Kompakt, präzise und einfach zu bedienen für Navigation und Daten-Tracking. -
Übersetzung:
50/34 - 11/32 (11-fach) -
Reifen:
Continental Grand Prix 5000S – der altbekannte,schnelle und pannensichere Reifen. -
Schlauch:
RideNow Road Tube (TPU-Schlauch) – Extrem leicht, robust und weniger anfällig für Schäden als traditionelle Schläuche